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1.9.2022 | Deutsche ev.-luth. Gemeinde in Finnland – Vortrag von Pfarrer Hans-Christian Beutel: 500 Jahre Septembertestament
1.9.2022 @ 18:00 - 19:30
500 Jahre Septembertestament
Luthers Übersetzung des Neuen Testamentes schreibt deutsche Sprachgeschichte
Kaum ein Buch hat die deutsche Sprache so sehr geprägt, wie die Übersetzung des Neuen Testamentes durch Martin Luther. Im September 1522 ist sie erstmals erschienen. Die erste Auflage von 3000 Exemplaren war nach kurzer Zeit vergriffen. Das Buch wurde nachgedruckt – in Raubkopien ebenso wie in jedes Mal sorgfältig durchgesehenen und verbesserten Ausgaben der Wittenberger Reformatoren. Und nicht nur in Gebieten, in denen die Reformation sich durchgesetzt hatte, sondern auch dort, wo die Fürsten und somit die Gemeinden katholisch blieben, verbreitete sich die „Lutherbibel“ rasend schnell.
Begonnen hatte alles bei einem geheimen Treffen in Wittenberg: Im Dezember 1521 war Luther war inkognito in die Stadt gekommen, um mit den anderen Reformatoren über die Entwicklung der Reformation zu beraten. Philipp Melanchton dringt darauf, dass es endlich eine deutsche Übersetzung des Neuen Testamentes geben müsse – die Menschen müssten Gottes Wort selber lesen können, statt von den Auslegungen der Pfarrer abhängig zu sein.
Luther bleibt zunächst skeptisch: Welchen der vielen Dialekte sollte man denn für die Übersetzung nehmen? Was in Magdeburg geredet wurde, verstand in Erfurt kaum ein Mensch! (Von Hamburg und Stuttgart ganz zu schweigen!) Sprachforscher schätzen, dass zu dieser Zeit die „kommunikative Reichweite“ eines Menschen bei ca. 50 Kilometern lag. Innerhalb dieses Radius gelingt die Verständigung – außerhalb wird es schwierig. Und es gibt die Sprachgrenze zwischen den niederdeutschen und den hochdeutschen Dialekten. „Im Grunde bräuchte jede Stadt ihren Übersetzer, damit die Bibel in jeden Mund, Hand, Augen, Ohren und Herzen komme.“, so meint Luther. Als er dann wieder zurück auf der Wartburg ist, lässt ihm der Gedanke keine Ruhe: eine Übersetzung des Neuen Testamentes – möglichst für alle verständlich und an der Sprache des einfachen Volkes orientiert! Er schlägt seine griechische Ausgabe des Neuen Testamentes auf. Er nimmt die Feder zur Hand. Er übersetzt die ersten Worte. Und er verfällt in einen Schaffensrausch, aus dem er erst 11 Wochen später wieder auftauchen wird. Da schließt er mit der letzten Zeile sein Manuskript „Das Newe Testament Deutzsch“ ab. Und dann hält ihn nichts mehr auf der Wartburg. Dann kehrt er endgültig nach Wittenberg zurück!
Martin Luther ist genau der richtige Mensch für diese Übersetzungsaufgabe: Eisenach, Eisleben, Mansfeld, Magdeburg, Erfurt, Wittenberg – das sind die Orte, in denen er gelebt hat. Sie liegen diesseits und jenseits der Sprachgrenze zwischen Niederdeutsch und Hochdeutsch. Luther kennt sich aus mit den verschiedenen Dialekten. Und er ist
poetisch außerordentlich begabt – ein Mensch mit einem hochsensiblen Sprachempfinden. Seine Sprachgewalt und Bildkraft prägen seine Übersetzung – und indem diese sich so schnell und weit verbreitet, auch die Sprache der Menschen überall im Deutschen Reich. Luthers Übersetzung des Neuen Testamentes schreibt deutsche Sprachgeschichte!
Und wie schön, wie unglaublich schön ist die Sprache Luthers!